Die Glocke im See von Lars Mytting (Band 1)
- Bookloving
- 11. März 2019
- 3 Min. Lesezeit
Beeindruckender Auftakt einer bewegenden Familiensaga

INHALT Norwegen im Jahr 1880, in einem dunklen und abgeschiedenen Tal: Die junge, wissbegierige Astrid ist anders als die übrigen Mädchen im Dorf. Sie träumt von einem Leben, das aus mehr besteht als Heiraten, Kinderkriegen und am Ende bei der Feldarbeit Sterben. Sehnt sie sich nach einem Leben mit dem jungen Pastor Kai Schweigaard? Oder entscheidet sie sich für das Neue, Unberechenbare? Kai Schweigaard hat soeben die kleine Pfarrei mit der 700 Jahre alten Stabkirche in Butangen übernommen. Die würde er gerne abreißen und durch eine modernere, größere Kirche ersetzen. Er hat auch schon Kontakt zur Kunstakademie in Dresden aufgenommen, die ihren begabten Architekturstudenten Gerhard Schönauer schickt, der den Abtransport der Kirche nach Dresden und den Aufbau dort überwachen soll. Astrid rebelliert, denn mit der Kirche würden auch die beiden Glocken verschwinden, die einer ihrer Vorfahren einst der Kirche gestiftet hat. Man sagt ihnen übernatürliche Kräfte nach und dass sie von selbst läuten, wenn ein Unglück bevorsteht. Astrid verliebt sich in diesen Gerhard. Er ist so anders als die jungen Männer in Butangen. Modern, weltoffen, elegant. Astrid muss sich entscheiden. Wählt sie die Heimat und den Pfarrer oder den Aufbruch in eine ungewisse Zukunft in Deutschland. Da hört sie auf einmal die Glocken läuten ...
(Quelle: Insel Verlag)
MEINE MEINUNG In seinem neuesten historischen Roman “Die Glocke im See” erzählt der norwegische Autor Lars Myttings die bewegende Geschichte einer Liebe - gefangen zwischen alten Traditionen und dem Aufbruch in neue Zeiten. In seinem überaus gelungenenTrilogie-Auftakt entführt er uns gekonnt in das Norwegen des 19. Jahrhunderts und in eine archaische, mystische und uns völlig fremd erscheindende Welt, die geprägt ist von norwegischer Mythologie, heidnischem Aberglauben und Gottesfürchtigkeit. Mytting versteht es hervorragend, mit seinem einfühlsamen, eindringlichen und bildgewaltig Erzählstil Ereignisse und Landschaft lebendig werden zu lassen, ohne übertrieben oder pathetisch zu wirken. Eine unbeschreiblich melancholische, düstere Atmosphäre legt sich gekonnt über die gesamte stimmungsvolle Geschichte, die zudem mit einen sehr mystischen Hauch versehen ist. Rasch ist man gefangen von Myttings wundervoller Sprache, die auch in der Übersetzung noch äußerst eindrucksvoll ist. In den gelungenen Schilderungen erfahren wir viel über die legendenreiche Vergangenheit, das entbehrungsreiche Alltagsleben der kleinen bäuerlichen Dorfgemeinschaft, die dem allgegenwärtigen Tod und den Naturgewalten zu trotzen hat, aber auch sehr viel Lehrreiches über die faszinierenden nordischen Stabkirchen, den uralten, aufwändig verzierten Gotteshäusern aus Holz. Der Einfachheit und Rückständigkeit des Dorflebens setzt Mytting gekonnt den unaufhaltsamen Einzug von fortschrittlichen Neuerungen und schleichendem gesellschaftlichen Wandel entgegen und gibt dem Leser sehr aufschlussreiche Einblicke in die norwegische Kulturgeschichte. Kunstvoll hat der Autor seine beeindruckende, generationenübergreifende Familiensaga mit einer bewegenden Geschichte verwoben, die ihren Anfang während des bitterkalten Winters 1880 im kleinen Dorf Butangen in einem abgelegen norwegischen Gudbrandsdalen-Tal nimmt. Im Mittelpunkt der Handlung stehen drei junge Menschen, deren Leben auf schicksalhafte Weise mit einer jahrhundertealten Stabkirche und ihren zwei historischen Schwester-Glocken mit legendärer Symbolkraft verbunden ist. Doch auch für die sehr traditionsverhaftete Dorfgemeinschaft mit ihrem starken Naturglauben brechen nun neue Zeiten an und fordern ihren Preis. Die einfühlsame, detailreiche Charakterisierung seiner Protagonisten ist Mytting hervorragend gelungen. Sie sind lebendig und glaubhaft gezeichnet, so dass man sich gut in ihre Gedankenwelt hineinversetzen und ihr Handeln weitgehend nachvollziehen kann. Alle drei Hauptfiguren wünschen sich Veränderung in ihrem Leben, träumen von einer besseren Zukunft, möchten ihre einengende Bindung an die Vergangenheit hinter sich lassen und einen Neuanfang wagen. Der junge Pastor Kai Schweigaard, der neue Ideen aus der Hauptstadt ins Dorf bringt und für seine Gemeinde eine moderne Kirche errichten will, indem er die alte verkauft. Die 19-jährige, intelligente und wißbegierige Bauerntochter Astrid Hekne, die sich nach Freiheit und einem Leben fernab der engen Grenzen ihres Dorfs sehnt und schließlich der junge deutsche Architekturstudent Gerhard Schönauer, der für die Kunstakademie Dresden den Abbau der historisch wertvollen Kirche dokumentieren und ihren Wiederaufbau in Dresden beaufsichtigen soll. Doch Astrid ist überzeugt davon, dass die Glocken, die einst von ihren Vorfahren in Gedenken an eine Familientragödie gestiftet wurden und denen übernatürliche Kräfte zugeschrieben werden, nicht entfernt werden dürfen und setzt alles daran, dass sie im Dorf bleiben. Astrid fühlt sich zu beiden jungen, grundverschiedenen Männern hingezogen und befindet sich in einem großen Zwiespalt. Eine vielsprechende Ausgangskonstellation mit viel Konfliktstoff, in der die Akteure aus zwei völlig unterschiedlichen Welten aufeinandertreffen, und eine mitreißende, wendungsreiche Handlung, die immer mehr an Dynamik und Dramatik gewinnt. Der Ausklang seiner bewegenden, tragischen Liebesgeschichte stimmt überaus versöhnlich und macht neugierig auf die Fortsetzung seiner sehr eindrucksvollen, episch angelegten Familiensaga. FAZIT Beeindruckender Auftakt einer bewegenden, generationenübergreifenden Familiensaga im Norwegen des 19. Jahrhunderts. Sprachgewaltiger und sehr lesenswerter, historischer Roman mit einem mystischen Touch!
BEWERTUNG

Rezensionsexemplar *UNBEZAHLTE WERBUNG*
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