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Die Schand-Luise: Der Skandal um Queen Victorias verstoßene Schwiegermutter von Ulrike Grunewald

Bemerkenswerte Biografie über Queen Victorias verstoßene Schwiegermutter

MEINE MEINUNG In der interessanten Biografie „Die Schand-Luise“ widmet sich die deutsche Autorin und ZDF-Redakteurin Ulrike Grunewald dem kurzen, bewegten Leben einer weitgehend unbekannten Frau: Luise von Sachsen-Gotha-Saalfeld (1800 - 1831). Obwohl sie die Mutter von Albert, dem späteren Prinzgemahl der britischen Queen Victoria war, ist ihr Leben aus der Geschichtsschreibung weitgehend ausgeblendet worden und in Vergessenheit geraten. Erstaunlich, dass sich die Historiker so wenig für ihre Person interessiert haben, denn Herzogin Luise ist Begründerin des mächtigen deutschen Fürstenhauses Sachsen-Coburg und Gotha, das von einem kleinen, unbedeutenden Fürstentum hin zu einer der bedeutsamsten Dynastien des 19. Jahrhunderts in Europa wurde. Noch heute gibt das skandalumwitterte Schicksal der verleumdeten und verstoßenen Herzogin Luises viele Rätsel auf - geblieben ist ihr der unschöne Beiname “Schand-Luise”. Hartnäckig halten sich auch Gerüchte um die illegitime Abstammung ihres zweitgeborenen Sohns Albert. Basierend auf eigenen langjährigen, im Rahmen ihrer Dissertationsarbeit durchgeführten Recherchen hat die Autorin in ihrer 11 Kapitel umfassenden Biografie viele Informationen zu Luises ereignisreichem Leben, ihrem tragischen Schicksal, der Verbannung nach St. Wendel und ihrem frühen Tod 1831 in Paris zusammengestellt. Hierbei stammen viele der eingearbeiteten Informationen aus Briefwechseln zwischen Luise und Familienangehörigen und der Korrespondenz von Mitgliedern des Hofs, Tagebucheinträgen und zudem konnten Zeitzeugenberichte als Quellen herangezogen werden. Die Autorin portraitiert Herzogin Luise sehr eindrucksvoll und anschaulich in ihren verschiedenen Lebensphasen und versteht es hervorragend, die gut dokumentierten Ereignisse der damaligen Zeit stets auch in einen größeren politischen und historischen Rahmen einzuordnen. So setzt sie in den verschiedenen Kapiteln geschickt thematische Schwerpunkte, in denen sie beispielsweise auf die Rolle adliger Frauen im patriarchalen Obrigkeitsstaat des 19. Jahrhunderts herausarbeitet oder den Einfluss der damaligen “Skandalpresse” auf die öffentliche Meinung eingeht. In vielen unterschiedlichen Quellen-Auszügen lässt die Autorin auch Luises Familie, Angehörige des Hofes, Freunde wie Gegner zu Wort kommen und beleuchtet Luises Leben aus den verschiedensten Blickwinkeln. Durch den angenehmen, lebendigen und verständlichen Schreibstil der Autorin und den gelungenen Einbau von Zitaten lässt sich die Biografie sehr flüssig lesen. Aufgelockert sind die Textpassagen durch etliche Schwarz-Weiß-Abbildungen von Gemälden, Stichen und Fotografien einiger historischer Dokumente. Bedauerlich ist allerdings, dass auf einen Familienstammbaum zur Zuordnung der vielen historischen Persönlichkeiten und ihrer verwandtschaftlichen Beziehungen verzichtet wurde, die dem interessierten eigene Recherchen erspart hätten. Die Autorin lässt ihr Buch anfangs in Form eines biografischen Romans beginnen. Die lebendigen, fesselnden Schilderungen beschäftigen sich mit einer etwas delikaten Angelegenheit im Jahr 1846. Sie lassen den Leser mühelos in die damalige Zeit eintauchen und als Beobachter unmittelbar an den rätselhaften Ereignissen rund um das ungewisse Schicksal des Leichnams von Herzogin Luise in einem baufälligen Gotteshaus im Dorf Pfeffelbach teilhaben. Geschickt wirft die Autorin hier unzählige Fragen auf, nimmt Hintergründe vorweg und macht den Leser äußerst neugierig auf den angedeuteten Skandal und Luises Schicksal. Nur häppchenweise behandelt die Autorin allerdings im weiteren Verlauf ihrer Biografie einige der aufgeworfenen Fragen und greift in verschiedenen Kapiteln die Thematik erneut auf, um sie weiter zu vertiefen. In einigen Fällen bleiben allerdings möglicherweise aufgrund fehlender Belege einige Sachverhalte gänzlich ungeklärt und vage. Hier hätte ich mir statt Spekulationen mehr Klarheit in der Darlegung gewünscht. Der Autorin ist insgesamt eine sehr überzeugende, chronologische Darstellung von Luises Lebensweg gelungen, in der wir auch sehr viel über die Persönlichkeit der jungen Herzogin erfahren. Luise wird als ein lebenslustiges, liberal erzogenes junges Mädchen beschrieben, das romantischen Vorstellungen von Liebe und Ehe nachhing und nach ihrer Verheiratung mit ihrem narzisstischen, chronisch untreuen Ehemann Herzog Ernst I. herbe enttäuscht wurde. Gefangen in einer lieblosen Ehe versuchte die unkonventionelle Prinzessin und Mutter zweier Söhne, gegen die höfischen Zwänge am Coburger Hof zu rebellieren und Forderungen nach einem freien, selbstbestimmten Leben zu stellen. Sehr ausführlich schildert die Autorin, wie Luise der regierenden Fürstenfamilie immer unbequemer und sie bald Opfer höfischer Intrigen wurde. Äußerst abwechslungsreich und lebendig befasst sich ein Kapitel basierend auf dem anschaulichen Bericht eines damaligen Zeitzeugen mit einem legendären Bürgeraufstand in der Residenzstadt Coburg zugunsten ihrer beliebten Herzogin Luise, der die Autorität des Hauses Sachsen-Coburg beinahe in Gefahr brachte. Wegen angeblicher Untreue und Ehebruchs wurde sie von Herzog Ernst I. schließlich verstoßen und musste auch nach ihrer Scheidung zeitlebens in Verbannung leben. Aus den gut recherchierten Fakten und detaillierten Ausführungen kann sich der Leser ein gutes Bild von dem Vorgängen am Coburger Hof machen, die in der Verbannung und Verleumdung als Schand-Luise gipfelten, und sich eine eigene Meinung zu dem großen Skandal um ihre Person bilden. Abgerundet wird die Biografie mit einem Nachwort der Autorin im Kapitel „Über dieses Buch“ und einem ausführlichen Anhang mit Anmerkungen, Literaturverzeichnis und Bildnachweis.


FAZIT Eine bemerkenswerte Biografie über die verstoßene Herzogin Luise von Sachsen-Gotha-Saalfeld - angenehm zu lesen, gut recherchiert und sehr unterhaltsam! Ein überzeugendes Portrait einer wirklich interessanten Frau, die es verdient hat, aus dem Dunkel der Geschichte geholt zu werden.


(Herausgeber: Wissenschaftliche Buchgesellschaft (WBG) - Erscheinungsdatum: 11.02.2019)


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