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Das Tor von Basma Abdel Aziz

Beklemmende, erschreckend realitätsnahe Dystopie

INHALT

Ein nicht näher benanntes Land im Nahen Osten: Seit der Niederschlagung der Revolution brauchen die Bürger für jede noch so kleine Kleinigkeit in ihrem Leben – sei es die Überweisung zum Arzt oder die Erlaubnis, Brot zu kaufen – die Genehmigung des Staates. Um die zu erhalten, müssen sie sich vor einem riesigen Tor anstellen, das angeblich jeden Tag nur einer gewissen Anzahl an Anträgen stattgibt. In Wirklichkeit aber öffnet sich das Tor niemals, und die Schlange der Menschen, die in der glühenden Hitze warten, wird länger und länger, ihre Verzweiflung immer größer. Und doch will keiner von ihnen die Hoffnung aufgeben, dass das Tor eines Tages aufgehen wird ...

(Quelle: Heyne Verlag - Erscheinungstermin 13.04.2020 - ISBN: 978-3-453-32046-8 - Übersetzung aus dem Arabischen: Larissa Bender)


MEINE MEINUNG

In ihrem dystopischen Debüt-Roman „Das Tor“ zeichnet die ägyptische Autorin und Psychiaterin Basma Abdel Aziz ein höchst beklemmendes Bild eines totalitären Staates, das seine Bürger nach der brutalen Niederschlagung eines Aufstands – den „Schändlichen Ereignissen“ – mit einem aberwitzigen bürokratischen Regelwerk und ständig modifizierten Verordnungen unter Kontrolle zu halten versucht. Es ist natürlich nicht schwierig, die Anspielungen auf den Arabischen Frühling im Jahr 2011 zu deuten und hinter dem fiktiven, im Roman skizzierten totalitären System und seinem zynischen Unterdrückungsapparat das reale Vorbild in dem Militärregime des ägyptischen Autokraten al-Sisi zu erkennen, der 2013 durch einen gewaltsamen Putsch an die Macht kam. Mit ihrem bereits 2013 auf Arabisch erschienen Roman übt die mutige Autorin, die sich unermüdlich dem Kampf gegen Unterdrückung und Menschenrechtsverletzungen widmet, somit scharfe Kritik an der autoritären Diktatur Ägyptens und prangert das menschenverachtende System an. Die Autorin erzählt ihre Geschichte aus sich abwechselnden Blickwinkeln, so dass wir uns schrittweise ein immer umfassenderes Bild von den Zuständen in diesem fiktiven Staat und seinen subtilen Unterdrückungsmethoden um jegliche oppositionelle Bewegungen im Keim zu ersticken sowie vom hochinteressanten, sehr unterschiedlichen Verhalten der zahlreichen Charakteren in der stetig wachsenden Warteschlange vor dem Tor machen können. In vielen Episoden vermittelt Aziz sehr eindrucksvoll, wie ein Leben unter permanenter Überwachung, Repression und Entmündigung aussieht. Geschickt führt sie uns die absurde Bürokratie und einen menschenverachtenden Verwaltungsapparat vor Augen, der die Bevölkerung mit undurchsichtigen Gesetzen, widersprüchlichen Regeln und zunehmend willkürlicheren Verordnungen traktiert. Die Reaktionen der Wartenden rangieren von Zuversicht, Hilflosigkeit, Ohnmacht, Verzweiflung, Fatalismus bis zu völliger Ergebenheit und Lethargie. Unwillkürlich kommen einem hier Vergleiche zu den großen Klassikern 1984 von George Orwell und Der Prozess von Franz Kafka in den Sinn. Wirken die absurden Schikanen dieser abstrakten, gesichtslosen Regierung, die sich hinter dem ominösen „Tor“ verbirgt, anfangs noch eher harmlos, so spitzt die Autorin die Situation weiter zu und lässt allmählich das wahre Gesicht dieses totalitären Systems immer deutlicher werden. Mit perfiden Abhöraktionen, Bespitzelungen und Einschüchterungen werden die Bevölkerung kontrolliert, über die gleichschalteten Medien gezielte Propaganda betrieben und auch vor schweren Menschenrechtsverletzungen wie Internierung, Folter und dem Verschwindenlassen von potentiell Oppositionellen wird nicht zurückgeschreckt. Hervorragend gelingt es der Autorin, die beklemmende Atmosphäre immer weiter zu verdichten und für uns Leser spürbar zu machen. Äußerst anstrengend ist allerdings der sehr nüchterne und distanzierte Erzählstil der Autorin, der hervorragend zum absurden Bürokratismus der Geschichte passt und stilistisch oftmals eher an einen sachlichen Bericht erinnert. Daher ist es insgesamt auch schwierig, einen engeren wenig Bezug zu den Figuren aufzubauen. Zeitweilig hatte ich auch Verständnisprobleme, die möglicherweise aber auch der Übersetzung geschuldet sind, und musste einige Passagen mehrfach lesen.

Sehr aufwühlend ist das offene Ende des Romans gestaltet, das mich sehr nachdenklich und mit vielen Fragen zurücklässt.

FAZIT

Eine aufwühlende, beklemmende und erschreckend realitätsnahe Dystopie, die sehr nachdenklich stimmt.

Trotz kleinerer Schwächen in der Umsetzung eine lesenswerte und überaus erschreckende Parabel über das Leben in einem totalitären Regime!


BEWERTUNG

Rezensionsexemplar *Unbezahlte Werbung*

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