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Die goldenen Jahre des Franz Tausend von Titus Müller

Faszinierender, facettenreicher historischer Roman

INHALT

Schneidig, selbstbewusst, charmant – so erobert der aus armen Verhältnissen stammende Franz Tausend 1924 die Welt. Er behauptet, auf geheimnisvolle Art und Weise Gold in großen Mengen herstellen zu können. Ultrarechte Patrioten und namhafte Industrielle wittern die Chance, mit diesem Gold die angestrebte heimliche Wiederaufrüstung finanzieren zu können, und strecken Tausend Geld vor. Als einige Anleger unruhig werden, ob es jemals Gold regnen wird, sorgen einflussreiche Politiker dafür, dass die Polizei einschreitet. Sie soll Franz Tausend aber nicht auf die Finger sehen, sondern ihn im Gegenteil vor den Anschuldigungen einer sich um ihr Geld geprellt sehenden Frau schützen. Kommissar Heinrich Ahrndt, der diesen Auftrag erhält, ist zu gewissenhaft, um dieses Spiel dauerhaft mitzuspielen. Er wird nach Berlin strafversetzt, wo er den Pazifisten Carl Ossietzky beschatten soll ... Franz Tausend hingegen versucht sein Glück auf neue Weise, doch seine Wege und die des Kommissars kreuzen sich noch einmal: vor Gericht.

(Quelle: Blessing Verlag - Erscheinungsdatum: 2.3.20 - ISBN: 978-3-89667-617-7)


MEINE MEINUNG

MEINE MEINUNGMit "Die goldenen Jahre des Franz Tausend" ist dem deutschen Autoren Titus Müller ein anspruchsvoller und hervorragend recherchierter historischer Roman gelungen, der ein ausgesprochen facettenreiches und tiefgründiges Gesellschaftsportrait der sogenannten „Goldenen Zwanziger“ zeichnet.Dieser äußerst gelungene Roman ist zugleich eine schöne Hommage an zwei Nobelpreisträger und bedeutende Persönlichkeiten jener Zeit - den bedeutenden Schriftsteller Thomas Mann und den Journalisten Carl von Ossientzky, deren Lebenswege durch die Herrschaft der Nationalsozialisten einen tragischen Verlauf nahmen.In seinem erzählerisch raffiniert angelegten Roman spannt Müller gekonnt einen weiten Bogen von der Weimarer Republik in den frühen 1920ger Jahren, dem Erstarken des Nationalsozialismus und Hitlers unaufhaltsamem Aufstieg bis hin zum Dritten Reich Mitte der 1930ger. In unterschiedlichen Erzählsträngen führt er uns eine ereignisreiche, krisengeschüttelte Zeit vor Augen, zeichnet sorgsam recherchierte Begebenheiten nach und zeigt wenig bekannte Zusammenhänge jener Zeit auf. Zudem räumt Titus Müller in seinem Roman mit dem gerne heraufbeschworenen Mythos der „Goldenen“ 1920er Jahre auf, die oftmals als Sinnbild des Aufbruchs gefeiert wird - einer entfesselten, glamourösen Zeit zwischen wildem Nachtleben, emanzipiertem Lebensstil und zügelloser Lebensfreude sowie eine neue Ära der künstlerisch-kulturellen Avantgarde. Im Laufe der Geschichte erhalten wir tiefgründige, historische Einblicke in die Weimarer Republik, die unter den traumatischen Folgen des Ersten Krieges, hohen Reparationszahlungen an die Siegermächte und wirtschaftlicher Misere zu leiden hat. An der Seite des Protagonisten und Ich-Erzählers Heinrich Ahrndt tauchen wir ab in eine Welt voll Schattenseiten, in der Armut, Gewalt, Massenarbeitslosigkeit, Kinderarbeit und Prostitution allgegenwärtig sind, und erleben durch seine Sicht eine Zeit großer politischer Instabilität, in der Verschwörungen florierten, paramilitärische Geheimbünde wirkten und politische Morde verübt wurden.Überraschender Weise steht nicht der titelgebende Franz Tausend im Mittelpunkt der Handlung, sondern seine wahre Geschichte ist nur Teil der nicht minder faszinierenden Rahmenhandlung. Tausend war einer jener Scharlatane, der mit seinen diversen Betrügereien perfekt in diese bewegte Zeit passte, in der leichtgläubige Menschen Wundermeldungen begierig aufnahmen und seinen blumigen Versprechen, Gold künstlich herstellen zu können, Glauben schenkten. Am Handel mit Tausends ominösen „Goldgutscheinen“ beteiligten sich auch hohe Militärs wie General Erich Ludendorff, namhafte Industrielle und diverse Funktionäre aus dem nationalsozialistischen Umfeld. Gekonnt verwebt Titus Müller zahlreiche historische Begebenheiten in seine facettenreiche und fesselnd erzählte Geschichte. So lässt er beispielsweise auch als brisantes Detail sehr geschickt einfließen, dass einige der Investoren die in Tausends Geheimgesellschaft fließenden Gelder nutzten, um diese verdeckt der „völkischen Bewegung“ und den Nationalsozialisten zukommen zu lassen, und ließen den gerissenen Betrüger Tausend selbst zu ihrer Spielfigur werden.Als verbindendes Glied zwischen den eigentlich voneinander unabhängigen Handlungssträngen fungiert der Protagonist Ahrndt, den wir bei seinen Ermittlungen begleiten und die Geschehnisse aus seiner Perspektive erleben- zunächst als Polizist für das Dezernat für Urkundenfälschung, Scheckbetrug und Hochstapelei in München und später nach seinem eher unfreiwilligen Wechsel nach Berlin in Berlin bei der „politischen Polizei“. Ganz beiläufig erhält man auch sehr aufschlussreiche Einblicke in den Alltag der Bevölkerung in der für viele sehr schwierigen, entbehrungsreichen Zeit und ihre Einstellung zu den politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen.Häufigere Perspektiv- und Schauplatzwechsel, ein flottes Erzähltempo und geschickt in Szene gesetzte Ereignisse lassen den Spannungsbogen stets gespannt bleiben. sodass sich der hochinteressante Roman trotz vieler historischer Details, zahlreicher Figuren und verwickelter Hintergrundinformationen sehr angenehm lesen.Sehr beeindruckend und mit viel Feingefühl hat Titus Müller seine vielschichtigen Charaktere zum Leben erweckt. Ob nun der gerissene Hochstapler Franz Tausend, der solide Ermittler Heinrich Ahrndt, der berühmte Schriftsteller und politische Mahner Thomas Mann, mit all seinen Selbstzweifeln und Widersprüchen, oder der umtriebige, unerschrockene Journalist Carl von Ossietzky, der in seinen Artikeln vor heimlicher Aufrüstung, dem Nationalsozialismus und Antisemitismus warnte – alle Figuren sind mit viel Liebe zum Detail, sehr lebensnah und ihre Entwicklung im Laufe der Handlung glaubhaft gezeichnet. Ein wirkliches Highlight sind die facettenreichen Portraits der beiden historischen Persönlichkeiten von Mann und Ossietzky, deren Lebensansichten, Privatleben, literarisches Wirken, und bewegendes Schicksal Titus Müller anhand hervorragend recherchierter Fakten äußerst gelungen skizziert sowie anschaulich und überzeugend in Szene gesetzt hat.Abgerundet wird dieser bemerkenswerte historische Roman mit dem umfangreichen, höchst lesenswerten Anhang „Der historische Kern dieser Geschichte“, in dem Müller viele historische Begebenheiten genauer erläutert und auf einige fiktionale Anwandlungen aufmerksam macht, sowie ein sehr ausführliches Literaturverzeichnis, in dem die für den Roman herangezogenen Quellen aufgeführt sind.


FAZIT

Ein faszinierender, facettenreicher historischer Roman - erstklassig recherchiert, fesselnd erzählt und eine lehrreiche Geschichtsstunde über die „Goldenen Zwanziger“ und das Ende der Weimarer Republik..

BEWERTUNG

Rezensionsexemplar *UNBEZAHLTE WERBUNG*

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