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Das Netz von Lilja Sigurðardóttir (Band 1)

Spannender Auftakt

INHALT

Wer ist die attraktive Frau, die regelmäßig den Zoll am Flughafen von Reykjavík passiert? Je aufmerksamer der Zollbeamte Bragi sie beobachtet, desto sicherer ist er sich: Diese Frau hat etwas zu verbergen. Die junge Mutter Sonja hat bei einer schmutzigen Scheidung das Sorgerecht für ihren Sohn verloren. Sie setzt alles daran, ihn zurückzubekommen, kann sich aber nicht mal einen Anwalt leisten. Verzweifelt lässt sie sich darauf ein, Kokain nach Island zu schmuggeln. Nur ein paarmal, sagt sie sich.

Agla, einst eine hochrangige Bankerin, hat ganz andere Probleme: Sie muss sich nach dem isländischen Finanzcrash unbequeme Fragen zu ihrer Rolle in einigen dubiosen Deals gefallen lassen. Kein Grund, nervös zu werden – denkt sie.

Als sich Bragis, Sonjas und Aglas Wege kreuzen, entspinnt sich ein komplexes Netz der Kriminalität. Und bei jedem Versuch, sich daraus zu befreien, verstricken sie sich nur noch tiefer … (Quelle: DuMont Buchverlag – Erscheinungsdatum: 16.06.2020 – ISBN: 978-3-8321-6519-2 - Übersetzung von Anika Wolff )


MEINE MEINUNG

»Das Netz« von der isländischen Autorin Lilja Sigurðardóttir ist der interessante Auftakt einer spannenden, neuen Island-Trilogie, die frischen Wind in den hart umkämpften Markt der sogenannten „Nordic Noir“ bringen soll. Im Mittelpunkt des ersten Bands, der hauptsächlich rund um Reykjavík angesiedelt ist, steht die junge Mutter Sonja, die nach einem für sie desaströs verlaufenen Scheidungskrieg in die Fänge skrupelloser Drogendealer geraten ist und nun als Kurierin Kokain nach Island schmuggelt. Obwohl als „Ein Reykjavík-Krimi“ auf dem Cover angekündigt handelt es sich eigentlich nicht um einen konventionellen Kriminalroman mit polizeilichen Ermittlungen, sondern eher um einen Spannungsroman, der verschiedenste Elemente in sich vereint. Geschickt versetzt die Autorin den Leser ins winterlich-triste Reykjavik, indem sie geschickt ein wenig isländisches Lokalkolorit in die Handlung einstreut und mit dem allgegenwärtigen Ascheregen an den fatalen Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull im Jahr 2010 erinnert. Die Handlung wird abwechselnd aus den Perspektiven von ihren drei sehr unterschiedlichen Hauptfiguren Sonja, ihrer Geliebten Agla sowie dem Zollbeamten Bragi erzählt. Die Wechsel zwischen den Handlungssträngen sind strategisch gut gewählt und die Kapitel recht kurz, sodass die Spannung allmählich immer mehr gesteigert wird. Vom Plot her ist die vielschichtig Geschichte hochinteressant angelegt und erst allmählich offenbart sich, wie sehr die Protagonisten in den kriminellen Machenschaften verstrickt sind und ihre Lage immer auswegloser wird. Je mehr man in die Geschichte dringt, umso deutlicher wird, dass hier so einiges im Argen liegt und nichts ist, wie es zunächst scheint. Vor allem Sonjas Verzweiflung, Ängste und existenziellen Nöte und ihre raffinierte Vorgehensweise als Drogenkurierin wurden von der Autorin sehr plastisch und mitreißend in Szene gesetzt, doch konnte mich die Umsetzung wegen einiger Längen im Mittelteil nicht restlos überzeugen. Äußerst fesselnd fand ich zudem das interessante Katz-und-Maus-Spiel zwischen dem alten Hasen Bragi und der allmählich bei ihren Schmuggeltouren immer abgebrühter werdenden Sonja. Sehr anschaulich vermittelt die Autorin auch die Auswirkungen der globalen Finanzkrise, die Island damals hart getroffen hat. In dem Handlungsstrang um die hochrangige Bankenmanagerin Agla und die polizeilichen Vernehmungen erfahren wir schrittweise mehr über die dubiosen Machenschaften hinter dem isländischen Finanzcrash. Nach und nach wird immer deutlicher in welch perfidem System sie und ihre Komplizen verstrickt waren, bei dem nicht vorhandenes Geld in einem unüberschaubar verschachtelten Unternehmens- und Bankenlabyrinth hin- und hergeschoben und auf wundersame Weise vermehrt wurde, bis schließlich alles in sich zusammenbrach. Diese Passagen mit Agla empfand ich stellenweise allerdings als etwas zäh, wodurch die Handlung leider etwas an Fahrt verlor. Der Autorin ist die vielschichtige Zeichnung ihrer interessanten Figuren gut gelungen. Die Einblicke in ihre Gedankenwelt und Beweggründe für ihr Verhalten offenbaren, dass alle drei Protagonisten ihre eigene Agenda verfolgen. Viel zu tief sind Sonja und Agla in ihrem Lügengeflecht und ihren fragwürdigen Taten gefangen, um noch einmal mit heiler Haut aus den undurchsichtigen Verstrickungen herauszukommen. Gekonnt führt uns die Autorin die Abgründe der menschlichen Psyche von Menschen vor Augen, die sich in einer absoluten Ausnahmesituation befinden. Ob nun aus Liebe zu ihren Nächsten oder getrieben von der Angst, ins Gefängnis zu müssen, sind bereit sie, bis zum Äußersten zu gehen und jegliche moralischen Bedenken hinter sich zu lassen. Lange Zeit ist es sehr undurchsichtig, welche Zusammenhänge zwischen den Hauptfiguren, den kriminellen Hintermännern und ihren Taten bestehen und wie sehr ihre Schicksale miteinander verwoben sind. Nach einer raffinierten, unerwarteten Wendung ziehen Tempo und Spannung zum Ende hin enorm an, und die Ereignisse überschlagen sich regelrecht. Was uns Lesern schließlich offenbart wird, welches Ausmaß und welche brisante Dimension die perfiden kriminellen Machenschaften haben, lässt einen sprachlos zurück und macht sehr neugierig auf die Fortsetzung.


FAZIT

Ein vielschichtiger, fesselnder Spannungsroman über Drogenschmuggel, die isländische Bankenkrise und kriminelle Machenschaften! Ein interessanter Auftaktband, der erst langsam spannend wird, aber in einem grandiosen Twist gipfelt und sehr neugierig auf die Fortsetzung macht.


BEWERTUNG

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