Bis unsre Seelen Sterne sind - Rilke und Lou Andreas-Salomé von Maxine Wildner
- bookloving
- 28. Feb.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 2. März
Beeindruckende Romanbiografie

INHALT
Er ist 22 und ein literarischer Shootingstar, sie Psychoanalytikerin und selbst erfolgreiche Schriftstellerin: Rainer Maria Rilke und Lou Andreas-Salomé. Ihre Liebe beginnt mit ein paar Gedichten, die der junge Dichter 1897 der fast fünfzehn Jahre älteren Lou schickt. Als sie sich persönlich kennenlernen, ist sie fasziniert und mitgerissen von der Tiefe seines Gefühls und der Größe seiner dichterischen Begabung. Ihm bedeutet die Begegnung eine menschliche und künstlerische Erfüllung und Herausforderung. Für beide ist ihre Liebe ein überwältigendes und einzigartiges Ereignis.
Dabei hält Lou stets an ihrer Freiheit fest, beurteilt Rilkes Werk schonungslos und bewahrt ihren Geliebten davor, sich auf dem Genius Rilke auszuruhen. Und so ist ihre Liebesbeziehung, die später in eine lebenslange Freundschaft mündete, auch ein sehnsüchtiges Ringen umeinander, eine leidenschaftliche Suche nach Verbindung und Freiheit.
(Quelle: Suhrkamp-Insel Verlag - Erscheinungsdatum: 13.01.2025 - ISBN: 9783458683810)
Rezensionsexemplar *UNBEZAHLTE WERBUNG*
MEINE MEINUNG
Mit „Bis unsre Seelen Sterne sind“ legt Maxine Wildner eine faszinierende Romanbiografie vor, die weit über das Porträt einer historischen Liebesbeziehung hinausreicht. Gekonnt beleuchtet Wildner die komplexe Beziehung zwischen Rainer Maria Rilke und Lou Andreas-Salomé – eine Verbindung, die gleichermaßen von künstlerischem Schaffensdrang, intellektuellem Austausch und dem Ringen individueller Selbstbestimmung aber auch von tiefen persönlichen Konflikten geprägt war.
In dem pünktlich zum Rilke-Jubiläum 2025 erscheinenden Werk gelingt es der Autorin hervorragend, sorgsam recherchierte historische Details mit fiktiven Elementen zu verbinden und so ein interessantes Panorama der Epoche des Fin de Siècle zu entwerfen - eine faszinierende Zeit des Umbruchs, in der gesellschaftliche Konventionen und künstlerische Freiheit aufeinandertrafen.
Wildners oftmals poetischer Schreibstil, der mit einem leicht antiquiert anmutenden Erzählton gekonnt die Atmosphäre der damaligen Jahrhundertwende einfängt, ist anspruchsvoll, aber dennoch ansprechend zu lesen. Hervorragend gelingt es der Autorin Zitate aus Originalbriefen und Gedichten nahtlos in den Text einzufügen.
Die Romanbiografie ist sehr vielschichtig angelegt, spielt auf mehreren Zeitebenen und folgt zudem keiner linearen Chronologie. Durch eingestreute Rückblenden und zahlreiche Perspektivwechsel ist es zunächst nicht ganz einfach, in die Geschichte hineinzukommen und die geschilderten Geschehnisse einzuordnen. Wildner versteht es hervorragend, die bekannten biografischen Fakten nicht einfach nur nachzuerzählen, sondern auch gewisse biografische Leerstellen und emotionale Momente durch fiktive Episoden glaubhaft mit Leben zu füllen, um uns die Charaktere und ihre inneren Konflikte näher zu bringen.
Die komplexe, kaleidoskop-artige Erzählstruktur ermöglicht es der Autorin, die vielschichtige und beständige Natur der einzigartigen Verbindung zwischen Rilke und Andreas-Salomé greifbar zu machen. Die Erzählung setzt 1897 mit der Begegnung vom 22-jährigen Dichter Rilke und der 15 Jahre älteren, verheirateten Lou Andreas-Salomé ein. Eindrücklich wird diese von Wildner nicht als reine Amour fou, sondern als intellektuelles Kräftemessen zweier höchst ungleicher Charaktere gezeichnet.
Gekonnt stellt sie das faszinierende Spannungsfeld zwischen Rilkes überschwänglicher Verehrung, die sich in Hunderten von Gedichten und Briefen niederschlug, und Lous nüchterner, realitätsnaher Art dar, das Grundlage für ihre künstlerische Entwicklung war. Eindrucksvoll zeichnet die Autorin nicht nur Lous vielfältigen Einfluss auf den unsicher wirkenden jungen Rilke nach, der erfüllt ist von spirituellem Überschwang und künstlerischem Ehrgeiz, sondern unterstreicht auch die kreativen Synergieeffekte durch gegenseitige Inspirationen. In aufschlussreichen Dialogen, die historischen Quellen nachempfunden sind, lässt uns Wildner am Auf und Ab dieser außergewöhnlichen Beziehung in all ihren Facetten und Widersprüchlichkeiten teilhaben. Eingehend beleuchtet sie auch Schlüsselmomente ihrer Beziehungsdynamik und wechselseitigen Einflüsse nach ihrer offiziellen Trennung.
Die Charaktere sind vielschichtig und in ihrer Ambivalenz glaubwürdig gezeichnet.
Die Schriftstellerin und Psychoanalytikerin Lou Andreas-Salomé wird als starke, unabhängige Frau mit einem beeindruckenden intellektuellen Format dargestellt, die sich gegen die gesellschaftlichen Konventionen ihrer Zeit auflehnt und nicht bereit ist, sich den damaligen Geschlechterrollen zu unterwerfen. Wildner porträtiert sie nicht in der klassischen Rolle der Muse, sondern zeigt sie als eine aktive Gestalterin ihres Schicksals, die wie viele gebildete Frauen jener Zeit um intellektuelle Anerkennung zu kämpfen hat.
Sehr anschaulich ist auch Rilkes vielschichtige Persönlichkeit herausgearbeitet. So haben wir nicht nur an seiner künstlerischen Genialität Anteil, sondern lernen auch seine recht schwierigen komplexen Charakterzüge kennen. Seine künstlerische Reifung wird ebenso nachvollziehbar wiedergegeben, wie auch seine menschlichen Abgründe: seine Flucht vor Verantwortung, sein oft egozentrischer Umgang mit Förderern und emotionale Distanziertheit gegenüber seinen Geliebten. Wildner zeigt Rilke nicht als verklärten Poeten, sondern als einen zerrissenen, getriebenen Menschen, der trotz künstlerischer Höhenflüge mit Kindheitstraumata, Selbstzweifeln und finanziellen Existenzängsten zu kämpfen hat. Seine nächtlichen Schreibexzesse und panischen Angstattacken werden als Ausdruck seiner emotionalen Zerbrechlichkeit und seines überreizten Künstlerbewusstseins geschildert.
Zudem werden in eingestreuten Episoden auch Interaktion mit anderen bedeutenden Persönlichkeiten ihrer Zeit beschrieben, wie Friedrich Nietzsche, Auguste Rodin oder Sigmund Freud.
Allerdings hätte ich mir zur Abrundung der Romanbiografie noch ein Nachwort der Autorin mit einem Quellenverzeichnis gewünscht. Auch fehlt leider eine anhängte Zeittafel mit einem zeitlichen Überblick über die wichtigsten biografischen Eckdaten, die bei den vielen Zeitsprüngen eine historische Einordnung erleichtert hätte.
Dennoch ein beeindruckendes Buch, das noch lange nachhallt und dazu einlädt, die Originalwerke beider Protagonisten neu zu entdecken.
FAZIT
Eine fesselnde und anspruchsvolle Lektüre, die nicht nur die außergewöhnliche Beziehung zwischen Rilke und Andreas-Salomé lebendig werden lässt, sondern auch ein faszinierendes Porträt der kulturellen und gesellschaftlichen Umbrüche um die Jahrhundertwende zeichnet.
Empfehlenswert für alle Literaturliebhaber!
BEWERTUNG

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