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Krummes Holz von Julja Linhof

Eindrucksvolles Debüt

INHALT

Ein heruntergewirtschaftetes Gehöft und ein heißer, trockener Sommer. Die Geschichte einer Familie, in der es keine Liebe gab. Die Geschichte zweier Geschwister, die sich auf der Suche nach ihr verloren haben.

Es ist ein drückend schwüler Sommer, in dem Jirka an den Hof seiner Eltern im Krummen Holz zurückkehrt. Mehrfach hat er die Bitte seiner älteren Schwester Malene ignoriert, ihr gegen den Vater beizustehen. Als Jirka jetzt auf dem heruntergewirtschafteten Gutshof eintrifft, scheint keiner mehr auf ihn zu warten. Vom Vater findet sich keine Spur, und von seiner dementen Großmutter und seiner unversöhnlichen Schwester schlägt ihm eine Wand des Schweigens entgegen. Nur einer spricht mit ihm – Leander, der Sohn des letzten Verwalters. Doch obwohl die Feindseligkeit seiner Schwester kaum auszuhalten ist, lässt sich mit Leanders Nähe noch schwerer umgehen. Zu intensiv sind die Erinnerungen, die sich mit jedem neuen Tag in den Vordergrund drängen. »Krummes Holz« erzählt mit flirrender Intensität von der Kraft eines Geschwisterbandes in einer glücklosen Kindheit und darüber, wie zwischen all den enttäuschten Hoffnungen die Liebe zu finden ist.

(Quelle: Klett Cotta – Erscheinungsdatum: 17.02.2024 – ISBN: 978-3-608-96609-1)


MEINE MEINUNG

Mit ihrem Debüt «Krummes Holz» ist der deutschen Autorin Julja Linhof ein tiefgründiger, emotional aufrüttelnder Roman gelungen, der mich mit seiner tragischen Familiengeschichte sehr fesseln und zum Nachdenken anregen konnte. Feinfühlig und sehr eindringlich erzählt die Autorin in ihrem Roman die beklemmenden Folgen von transgenerationaler Traumatisierung.

Im Mittelpunkt steht der 19-jährige Protagonist Georg, von allen Jirka genannt, der nach vielen Jahren erstmals zurück auf den herunter gewirtschafteten Gutshof seiner Familie kommt und sich dort nicht nur seiner feindseligen älteren Schwester Malene sondern auch unguten, sorgsam verdrängten Erinnerungen stellen muss.

Die Autorin versteht es mit ihren sehr bildhaften Beschreibungen hervorragend, eine unheilvolle, melancholische Atmosphäre heraufzubeschwören, so dass sich schon bald ein großes Unbehagen beim Lesen aufbaut. Allmählich erhalten wir in Rückblenden kurze Einblicke in Jirkas traumatische Kindheit und sein dysfunktionales familiäres Umfeld mit einem gewalttätigen Vater, seiner depressiven Mutter, die sich viel zu früh aus dem Leben verabschiedete, und einer meist lieblosen Großmutter. Seine eher lückenhaften Erinnerungen an vergangene Geschehnisse lassen unendliche Demütigungen, Ängste und Einsamkeit eines sensiblen Kindes erahnen. Geschickt lässt die Autorin in verstörenden Andeutungen vieles im Vagen und doch lässt sich in den angerissenen Flashbacks ein schreckliches Leben mit allgegenwärtigem Stillschweigen in einer Familie ohne Liebe und Zuneigung erkennen. Der fließende Wechsel zwischen den Zeitebenen, eingestreute Erinnerungsfetzen und implizierte Vorahnungen über ein düsteres Geschehnis erzeugen ein beklemmendes Gefühl und steigern die Spannung ungemein. Äußerst gelungen ist auch der anschauliche, bildgewaltige Schreibstil der Autorin mit vielen faszinierenden Schilderungen der sommerlichen Landschaft und des allgegenwärtigen Verfalls des alten Gutshofs sowie bisweilen recht ungewöhnlichen Sprachbildern, die perfekt die widersprüchliche und aufgewühlte Gefühlswelt des Protagonisten spiegeln.

Sehr greifbar fängt Linhof die hochemotionalen Schwingungen in all ihren Facetten ein, von denen Jirka bei seiner Heimkehr überwältigt wird – von Wut, Aggressionen, Verzweiflung, Einsamkeit, Unverständnis, Scham, Vorwürfen bis hin zum kindlichen Eskapismus reicht die komplexe Bandbreite. Aus den vielen sich langsam zusammenfügenden Leerstellen, über die Jirka allmählich Gewissheit erlangt, ergibt sich schließlich ein bedrückendes und nachdenklich stimmendes Gesamtbild von seiner Gefühlswelt.

Geschickt hat sie die komplizierte Dynamik zwischen den zwei Geschwistern und ihrer labilen Beziehung zueinander herausgearbeitet, die trotz herber Enttäuschungen und Verbitterung auf eine versöhnliche Annäherung hoffen lassen.

Hervorragend gelungen sind der Autorin ihre unterschiedlichen Charaktere, die sie sehr vielschichtig, einfühlsam und mit nuancierten Persönlichkeiten ausgearbeitet hat. Mit außerordentlich gutem Feingespür und großer Eindringlichkeit enthüllt sie menschliche Sehnsüchte und Abgründe, tiefe seelische Verletzungen sowie folgenschwere Fehlurteile.


FAZIT

Ein eindringlicher und fesselnder Roman über eine tragische Familiengeschichte und ein anspruchsvolles und  intensives Leseerlebnis, auf das man sich erst einlassen muss!



BEWERTUNG

Rezensionsexemplar *Unbezahlte Werbung*

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